Reflexion der Solidarischen Jugendbewegung zu den Mai-Tagen 2020 Berlin

Letzte Woche Donnerstag sind wir gemeinsam in das 1.Mai-Wochenende gestartet. In Anbetracht der anstehenden Räumung der Liebig 34 haben wir uns zusammengetan und Fahrraddemonstrationen zum Thema Verdrängung organisiert. Ab 18 Uhr fanden sich Leute im Südkiez ein, um gegen 20 Uhr von verschiedenen Plätzen aus in den Nordkiez zu fahren. Die Menschen haben sich nicht als ein großer Block, sondern in einzelnen Fingern bewegt. Wir waren laut und dynamisch und fuhren über unterschiedliche Routen zu den Endpunkten im Nordkiez. Auf dem Weg hinterließen wir Spuren und stießen auf verwunderte aber doch sehr interessierte Nachbar*innen und als sie unsere Transparente sahen, auf viel Zustimmung. Trotz des massiven Polizeiaufgebotes und gelegentlichen Schauern ließen wir uns nicht davon  abhalten, unsere Wut über den Mietenwahnsinn und die voranschreitende Verdrängung in Berlin auf die Straße zu tragen! Die unteschiedlichen Finger endeten am Dorfplatz vor der Liebig 34 und in der Schreina47, wo es Redebeiträge, Musik und Feuerwerk gab. Leider hielt Polizei die Schutzmaßnahmen nicht ein und ging die Menschen auf aggressive Art an. Es wurden Festnahmen getätigt, Platzverweise erteilt und Menschen mit Pfefferspray bedroht und geschlagen. Wir kritisieren scharf, dass unser Protest kriminalisiert wird, obwohl wir unsere Konzepte auf die aktuelle Situation angepasst haben, um die Einhaltung von Schutzmaßnahmen zu gewährleisten. Solltet ihr festgenommen worden sein könnt ihr ohne Kosten den Ermittlungsausschuss kontaktieren. Infos dazu findet ihr unter ea-berlin.net, ihr seid nicht allein!
 
Doch der 30. April begann schon in den Morgenstunden denn wie angekündigt wurde der Protest auf die ganze Stadt verteilt. So bestetzten am Donnerstagvormittag junge Menschen eine Villa in Charlottenburg. Aktionen wie diese sind wichtig, um sich die Stadt auch im praktischen direkt zurückzuholen! Gerade in Zeiten der Krise dürfen wir unseren Protest nicht ruhen lassen! 
Während allein in Berlin über 12.000 AirBnB-Wohnungen und ganze Häuser, die als Spekulationsobjekte dienen, leer stehen, gibt es weiterhin täglich zehn Zwangsräumungen. Wir brauchen nicht nur bezahlbaren Wohnraum in Berlin,  sondern auch Freiräume, wie die Liebig34! Doch in diesem System gehen Profite vor Menschen und so werden linke Freiräume und Wohnende Stück für Stück verdrängt. 
 
Am ersten Mai fand neben vielen kleineren dezentralen Aktionen auch eine dezentrale Massenaktion in Kreuzberg statt. Der Schwerpunkt auf die Geflüchtetensitutation auf Lesbos und Rassismus wurde durch etliche Transparente, Schilder und Sprüche deutlich. Eine dynamische Masse von etwa 2-4 Tausend Menschen bewegte sich 
zu verschiedenen Punkten in Kreuzberg 36. Auch hier war es uns wichtig, die Ansteckungsgefahr zu minimieren. Dies wurde uns durch die tausenden Polizist*innen jedoch zeitweise unmöglich gemacht. Immer wieder versuchte die Polizei die Demonstrant*innen zu kesseln und “zusammenzutreiben”. 
 
Wir werten die Walpurgisnacht und den revolutionären ersten Mai, neben viel Eigenkritik an den Konzepten und notwendiger Verbesserung, generell als Erfolg. In der ganzen Stadt zeigten unzählige Menschen auf unterschiedlichste Weisen ihre Solidarität zu den Unterdrückten dieses Systems. Wir bedanken uns bei den vielen Menschen, die sich die Straße genommen haben, weil sie es für nötig hielten, gerade jetzt trotzdem zu protestieren. Ein großer Teil davon waren Jugendliche, die gemeinsam neue Konzepte ausprobierten und es geschafft haben, ihre Wut und ihr Unverständnis, trotz der Ansage der Polizei, auf die Straße zu tragen. Wir waren so dynamisch wie lange nicht mehr und freuen uns darauf, an diesen Konzepten anzuknüpfen. Lasst uns diese kollektiven Momente in die nächsten Monate mitnehmen und uns weiter gemeinsam organisieren. Lasst uns die Menschen in den Lagern, auf der Straße, in care Arbeit,  und alle anderen vom System unterdrückten nicht vergessen. 
Auch nach dem 1. Mai kämpfen wir weiter gegen die Stadt der Reichen, gegen Rassimus und Ausgrenzung. Wir kommen zurück in eure Villen. Gegen Mietenwahnsinn und Verdrängung! Liebig34, Sydnikat, Drugstore, Meute und co. bleiben! Auf eine solidarische Gesellschaft!
 

Aufruf des Jugendbündnis zum 1. Mai 2020

Wir sollten uns zum einen solidarisch gegenüber denen verhalten, die das Virus bedroht, zum anderen wollen wir auch solidarisch mit denen sein, denen das #Socialdistancing nicht hilft, sondern ihre Stimmen und Perspektiven verstummen lässt. Menschen, bei denen die sogenannte „Solidarität“ der Bundesregierung wie auch sonst endet, sobald das brüchige Wirtschaftssystem und ihre „Macht“ gesichert sind.

The kids need a home!
Gegen die Stadt der Reichen!

Während allein in Berlin über 12.000 AirBnB-Wohnungen und ganze Häuser, die als Spekulationsobjekte dienen, leer stehen, gibt es weiterhin täglich zehn Zwangsräumungen. Nach dem Motto profit over people wird der Platz in dieser Stadt vor allem für uns Jugendliche immer geringer: Mit Praktikum, Ausbildung oder Minijob können wir den Mietenwahnsinn nicht stemmen. Häufig werden wir gezwungen, unser soziales Umfeld zu verlassen, damit Dänische Rentenfonds und reiche Investor*innen ihre Rendite sichern. Und auch der Mietendeckel ist längst nicht ausreichend! Zeitlich begrenzt und nicht umfangreich genug, bietet er vielleicht eine Verschnaufpause für Einige, wird an dem Problem der ewigen Profitmaximierung der Immobilienbranche auf Kosten der Wohnenden jedoch nichts ändern. Von der Unmöglichkeit, eine Wohnung zu finden, abgesehen, verschwinden nach und nach mehr Freiräume. Seit nunmehr Jahrzehnten werden wir aus diesen verdrängt, damit an ihrer Stelle Luxusapartments oder Büros entstehen können. Die Stadt und wir Jugendlichen brauchen Räume wie die Liebig34, den Sabotgarden oder die Meuterei! Lasst uns die Stadt zurückholen und sie wieder für alle lebenswert und bewohnbar machen!

The kids love queerfeminism!
Gegen Patriarchat und Ausbeutung!

Wie lange ist es her, dass dir das letzte Mal hinterhergepfiffen, du eklig angemacht wurdest oder von einem Übergriff von sexualisierter Gewalt gehört hast? Wahrscheinlich nicht sehr lange. Im Patriarchat gehören diese Vorfälle zum Alltag. Doch das Problem endet nicht an der Haustür, sondern geht dort häufig erst richtig los. In Zeiten von #stayathome steigen die Übergriffe von häuslicher Gewalt vor allem für Frauen* dramatisch an. Ein erzwungener Aufenthalt zu Hause kann so schnell zu #stayathell werden. Doch Frauenhäuser sind überlastet und seit langer Zeit unterfinanziert. Die Unterdrückung und Ausbeutung sind in sämtlichen Bereichen des Lebens zu spüren. So liefe ohne die Arbeit von Frauen* in Kitas, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, etc. gerade gar nichts mehr. Gleichzeitig sind das genau die Berufe, in denen seit Jahren Personalmangel, hohe Arbeitsbelastung und schlechte Bezahlung vorherrschen. Politik und Unternehmen nehmen das nicht nur in Kauf, sondern befördern es mit der Privatisierung von Krankenhäusern und Leiharbeitsfirmen aktiv. Es ist Zeit, diese Unterdrückunsdynamiken hinter uns zu lassen! Das Patriarchat meucheln!

The kids love solidarity!
Gegen Rassismus und die Festung Europa!

Deutschland 2020: Seit Anfang der 2000er Jahre verübten Rechte über 245 Morde in Deutschland. Immer wieder wurde von Regierung, Polizei, Verfassungsschutz und co. das Problem runtergespielt, die Täter als verrückte Einzeltäter verharmlost. Wie sollte es auch anders sein, wenn die eigenen Strukturen von Rassismus durchzogen sind und der damalige Verfassungsschutz-Chef Hans Georg Maaßen rechte Hetzjagden in Chemnitz verharmlost? Er ist damit genauso wie die AFD, CDU und co. Brandstifter für die rassistischen Morde in Hanau und alle anderen Opfer rechter Gewalt. Das Problem heißt Rassismus!
„Wir warten solange auf eine europäische Lösung, bis Corona die Flüchtlingsprobleme für uns gelöst hat.“ Zynisch, aber leider war, so endet die sogenannte „Solidarität“ der Bundesregierung an den europäischen Außengrenzen und kostet dort unzählige Menschen ihr Leben. Europa tritt die Menschenwürde seit vielen Jahren mit Füßen. Wir können nicht weiter zusehen, wie unsere Freund*innen ermordet werden und uns auf den Staat verlassen, wir müssen uns gemeinsam organisieren, um uns gegenseitig schützen zu können!

The kids love peace!
Gegen die deutsche Kriegstreiberei!

Auch in Zeiten von Corona laufen Kriege, wie der, der Türkei gegen Rojava, weiter und deutsche Rüstungskonzerne wie Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann produzieren weiter fleißig Kriegsgerät. Überall auf der Welt werden Kriege aus deutschen Wirtschaftsinteressen und mit deutschen Waffen geführt. Auch hier wird sichtbar, dass wirtschaftliche Interessen deutlich über Menschenleben und Menschenrechten stehen. Wir müssen Waffenexporte stoppen und verdammt nochmal aufhören, Stellvertreterkriege zu legitimieren und zu finanzieren!

The kids love their earth!
Gegen Klimakiller und Greenwashing!

Die Erde brennt und eine globale Klimabewegung brachte allein innerhalb eines Jahres Millionen von jungen und alten Menschen auf die Straße. Gerade die Jugend war sehr präsent, immerhin sind wir es, die die Fehler der Politiker*innen ausbaden werden. In diesem System gab es keine nennenswerte Reaktion: Kohlekraftwerke, wie „Datteln 4“, gehen in Deutschland trotzdem weiter ans Netz und die Nachhaltigkeitsbewegung wird für wirtschaftliche Zwecke genutzt. Konzerne sind hier wichtiger zu retten, als die Erde und so verschwindet nach und nach immer mehr von unserer wichtigsten Ressource: der Natur. Da hilft nur: Kohlekraftwerke runter fahren, Neoliberalismus überwinden und Kapitalismus abschaffen!

Lasst uns an beiden Tagen unsere Wut über ihre ungerechte Politik auf die Straße bringen. Am 30. April mit Fahrrädern in den Friedrichshainer Südkiez und am 1. Mai mit oder ohne nach Kreuzberg 36.

Dabei wollen und werden wir bei all unseren Aktionen darauf achten, den Infektionsschutz zu wahren. Grundlegende Schutzmaßnahmen sind dabei für uns: Handschuhe, Gesichtsmasken und Abstand zueinander zu halten.
Noch mehr, als schon in den Jahren zuvor, ist es wichtig, dass sich alle aktiv an dem Protest beteiligen. Wir rufen alle Jugendlichen und sonstigen solidarischen Menschen auf, sich uns anzuschließen! Bringt Schilder und Transparente mit und werdet kreativ! Heraus zum ersten Mai, der erste Mai sind wir alle!

Aktuelle Infos und Ankündigungen unter: jugendbuendniserstermai.blackblogs.org und #JB1MAI